Die nächste und letzte Station unserer Reise ist nun noch Kathmandu. Hier holt uns die Zivilisation mit all ihren fragwürdigen Qualitäten schnell wieder ein. Es herrscht wie immer hier ein heilloses Verkehrschaos mit ewig verstopften Straßen und einem wilden Durcheinander von Fahrzeugen aller Art, eingetaucht in eine fast unerträgliche Smogwolke, die von den umliegenden Bergen leider nur noch wenig erkennen lässt.
Andererseits gibt es aber auch schon zahlreiche große Krankenhäuser und gut qualifizierte Neurologen, sodass Schlaganfallbehandlung hier schon wesentlich weiterentwickelt ist als in unseren bisher besuchten Orten. Allerdings spielt sich dies überwiegend an privaten Krankenhäusern ab und qualifizierte Behandlung ist auch hier für die breite Bevölkerung bisher nicht möglich, da nur eine minimale öffentliche Krankenversicherung existiert, die solche Behandlungen bisher nicht abdeckt.
So geht es nun nicht mehr um das Ausrichten von Workshops, sondern eher darum, was wir beitragen können, um eine stabile Implementierung der Schlaganfallversorgung im nepalesischen Gesundheitssystem erreichen zu können. Wir treffen uns mit den Neurologen, die das Projekt auf nepalesischer Seite leiten, zusammen mit dem deutschen leitenden Koordinator der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit). Diese Institution finanziert im Auftrag des deutschen Ministeriums für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit unser Projekt und da der ebenfalls ärztliche Kollege noch nicht lange in Kathmandu ist, interessiert ihn, mehr darüber zu erfahren. Es zeigt sich schnell, dass er bereits große Erfahrung in der Entwicklungshilfe hat und mit den politischen Gepflogenheiten vor Ort bereits bestens vertraut ist.
Tatsächlich ist es den nepalesischen Neurologen in den letzten Monaten gelungen ein umfassendes Konzept zur Verbesserung der Schlaganfallversorgung für ganz Nepal an den Gesundheitsminister heranzutragen, das mit uns als deutsche Kooperationspartner abgestimmt wurde. In den kommenden Tagen sind die Kollegen zum Gespräch geladen und sie bitten um unsere Unterstützung. So vereinbaren wir, sie gerne zu begleiten und auch der Koordinator der GIZ stimmt zu mitzukommen.
So nutzen wir den kommenden Tag noch für einen Besuch in Thamel, dem Touristenviertel vom Kathmandu, in dem sich hunderte kleiner Läden aneinanderdrängen, wo wir noch Geschenke für zu Hause besorgen - Weihnachten ist ja nicht mehr weit - besonders Wollschals aus Cashmere und nepalesischer Tee und Kaffee sind dabei beliebt.
Dann kommt unser letzter Tag und der Besuch beim Gesundheitsministerium steht an. Wir sind schon etwas gespannt und aufgeregt. Pünktlich werden wir vom Minister in seinem Büro empfangen, gemeinsam mit einem Koordinator ähnlich einem Staatssekretär in Deutschland. Letzterer ist sehr gut vorbereitet und hat unser Konzept gelesen und verstanden. Die gesundheitspolitische Bedeutung einer Erkrankung, die einerseits für die zweithäufigste Mortalität im Land sorgt, aber auch überlebt oft für lebenslange Behinderung und Arbeitsunfähigkeit sorgt, ist allen schnell klar. Die über Jahre erfolgten Schulungen durch das Nepal Stroke Project haben eindrucksvoll die Basis gelegt, nun flächendeckend eine institutionelle Schlaganfallversorgung in Nepal zu etablieren.
Dass die Mutter des Gesundheitsministers darüber hinaus kürzlich mit einem Schlaganfall bei einem der nepalesischen Kollegen in Behandlung war, ist einer der Zufälle, die manchmal helfen können, damit Politiker die richtigen Entscheidungen treffen …
Es wird schnell sehr konkret und der Gesundheitsminister beschließt noch diese Woche einen Erlass herauszugeben, dass die großen öffentlichen Teaching Hospitals in allen sieben Provinzen Nepals verpflichtet werden eine Stroke mit wenigstens vier Monitor Betten einzurichten. Zudem wird nach Wegen gesucht, die relativ teure medikamentöse Thrombolyse als Akuttherapie staatlich zu finanzieren. Die GIZ will versuchen den deutschen Hersteller zu motivieren, das Medikament verbilligt an Nepal abzugeben, wie es in der Vergangenheit mit bspw. Impfstoffen auch schon gelungen sei.
Nach dem gemeinsamen Abschlussfoto stehen wir noch alle gemeinsam länger vor dem Gesundheitsministerium zusammen. Es herrscht vorsichtiger Optimismus. Wir hoffen damit dem großen Ziel einer besseren Versorgung der Menschen mit Schlaganfall in Nepal wieder einen wichtigen Schritt näher gekommen zu sein.
Abends dann noch Einladung zum monatlichen Treffen der Nepal Neurological Society aus Kathmandu. Die Kollegen empfangen ihren deutschen Kollegen herzlich. Sie präsentieren sich gegenseitig lehrreiche Fälle, wobei mich besonders die verschiedenen Infektionserkrankungen beeindrucken, die hier einen wesentlichen Teil des Spektrums ausmachen und die bei uns überwiegend praktisch ausgestorben sind.
Am nächsten Morgen schon im Flieger schreibe ich die letzten Sätze dieses Reiseberichts. Die Tage waren so angefüllt mit Erlebnissen und Begegnungen, dass er mir am Ende selbst helfen wird nochmals alles zu verarbeiten. Wie auch schon beim letzten Besuch in Nepal wird aber wieder vor allem die ausgeprägte Freundlichkeit, Fröhlichkeit und ehrliche Herzlichkeit der Menschen in Erinnerung bleiben. Wir hoffen bald einmal wieder zurückkehren zu können …